Tätigkeitsbericht 2023
Schäden an historischen Bauwerken durch Bodenveränderungen infolge Klimawandel
Die Folgen des Klimawandels sind mittlerweile steter Begleiter des aktuellen Tagesgeschehens. Sie betreffen auch unsere historische Bausubstanz in mannigfaltiger Weise - offensichtlich und massiv zerstörend oder auch unauffällig und zunächst langsam voranschreitend. Die Folgen von Starkregenereignissen stehen besonders im Fokus der Öffentlichkeit, da sie oft ganze Regionen mit Überflutungen und drastischen Zerstörungen von Gebäuden, Brücken oder Mauern betreffen und Existenzen zerstören. Weit weniger beachtet sind bislang im Bereich der Baudenkmalpflege die Auswirkungen von sommerlichen Austrocknungsprozessen in der Folge langanhaltender Hitze- bzw. Trockenzeiten. Eine direkte Zuordnung der Klimaeinwirkungen auf Mauerwerke oder Baugründungen ist nicht immer augenscheinlich, zumal die Schadensbilder oft mit statisch-konstruktiven oder gründungstechnischen anderen Hintergründen erklärbar sind. Im Mauerwerk kommt es zu langanhaltenden, tiefgründigen Austrocknungen und damit verbundenen Schrumpfungsrissen und Gefügeentfestigungen, im Baugrund dagegen zu Bodensenkungen und begleitenden Setzungsrissen. Sichtbar werden diese Prozesse an Gebäuden durch Rissverläufe über Wände und Decken, die oft an Größe zunehmen und akuten Anlass zu statisch-konstruktiven Sanierungskonzepten geben. Mauerwerke reagieren mit Entfestigung des Mauerverbandes und nicht selten mit massiven Verstürzen. Aufgrund nachfolgender Starkregenereignissen kann es dann zusätzlich zu hohen Durchfeuchtungen kommen, die in den Risszonen zu Auswaschungen und, unter winterlichen Klimaeinwirkungen, auch zu Frostsprengung führen.
Als prominente Beispiele seien zu den Gebäudeschäden durch Klimawandel beispielsweise die Gründerzeitfassaden der Stadt Offenbach oder auch die Synagoge in Worms als wesentlicher Bestandteil des unlängst ausgewiesenen Weltkulturerbes genannt. An der Synagoge Worms, Teil des UNESCO-Weltkulturerbes SchUM-Stätten, treten seit einiger Zeit starke Rissbildungen auf, die nach umfassenden Untersuchungen Ton- oder Lehmschichten zugeordnet werden können, die bereits bei der Errichtung unter dem Fundamentmauerwerk eingebaut wurden oder im gewachsenen Boden vorhanden sind. Die Austrocknung dieser Schichten führt zu ausgeprägten Setzungen des Bauwerks, die mittlerweile zur Standsicherheitsgefährdung des Gebäudes führten und umfangreiche temporäre Abstützungen erforderlich machten (Abb. 1). Die bauüblichen Maßnahmen zur Nachgründung, Fundamentunterfangung und Bodenertüchtigung, wären im vorliegenden Fall mit negativen Auswirkungen auf die archäologischen und bauhistorischen Befunde verbunden gewesen. Daher wurde die Frage nach anderen, vorrangig konservatorischen Konzepten laut. Insbesondere ein Management des Feuchtegehaltes im Baugrund soll dabei weitere Setzungsprozesse verhindern.
Die Auswirkungen des Klimawandels auf den Feuchtehaushalt der Böden und die daraus resultierenden Fragestellungen wie das Schwindverhalten der Böden und dadurch verursachte Bauwerksschäden wurden im Rahmen eines Fachkolloquiums im März 2023 mit Fachleuten aus Geotechnik, Baugrundgeologie, Tragwerksplanung, Archäologie und Denkmalpflege erörtert. Das Projekt wurde durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU, AZ 38710/01-45) freundlicherweise unterstützt. Die gängigen Ertüchtigungsmethoden sind mit ihren Vorteilen, Nachteilen und Nebeneffekten vergleichend dargestellt worden. Der konzeptionelle Ansatz eines Feuchtemonitorings und Feuchtemanagements und die Chancen einer Realisierbarkeit wurden diskutiert.
Das Startprojekt soll im Fortgang auch auf andere Bauwerke und Fragestellungen übertragen und mit entsprechenden individuellen Lösungskonzepten versehen werden. Als aktuelles und an Intensität wohl zunehmendes Problem globalen Ausmaßes stellt sich das IFS diesen Themenbereichen mit weitergehenden Erforschungen und der Begleitung individueller, denkmalgerechter Sanierungs- und Monitoringkonzepte.
Abb. 1: Synagoge Worms, Rissmonitoring (Innenraum)